Grußwort des Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein
anlässlich der Einweihung von Biogasanlage und Nahwärmenetz
Sehr geehrter Herr Hingst,
sehr geehrter Herr Hammerich,
sehr geehrter Herr Landrat Dr. Gebel,
sehr geehrter Herr Bürgermeister Nicolaisen,
liebe Genossinnen und Genossen,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
ich bin gerne nach Honigsee gekommen, um diese Bioenergieanlage einzuweihen. Manche mögen meinen, das sei heute nichts Besonderes mehr, weil es mittlerweile rund 180 Anlagen im Lande gibt. Aber da täuschen sie sich. Denn diese Biogasanlage zeichnet sich durchaus durch etwas Besonderes aus.
Allgemein gilt: Wir schätzen Biogas, weil es ein erneuerbarer Energieträger ist. Und die Biogasanlagen tragen durch die Einbindung der Landwirtschaft zur regionalen Wertschöpfung, zur nachhaltigen Entwicklung im ländlichen Raum und zur Stärkung der ländlichen Wirtschaftsstruktur bei.
Das können wir in Schleswig-Holstein gut gebrauchen, denn unsere ländlichen Räume sind ein echtes Markenzeichen und damit der eigentliche Kern unseres schönen Landes.
Biogas ist von hohem Nutzen, weil auch der Gärrest aus der Biogaserzeugung von den Pflanzen als Dünger noch effektiver aufgenommen werden kann als Rohgülle. Und außerdem spricht der hohe Klimaschutzeffekt für Biogas, da bei seiner Nutzung die natürlichen Kreisläufe geschlossen werden und kein zusätzliches CO2 in die Atmosphäre gelangt.
Mit anderen Worten: Die Biogasnutzung ist eine Energiegewinnung der Zukunft und deshalb unterstützen wir sie gerne.
Meine Damen und Herren,
ich will gar nicht darüber hinweg gehen, dass energetischen Biomassenutzung und die Nahrungsmittelproduktion im Spannungsverhältnis zu einander stehen. 850 Millionen Menschen hungern auf der Welt,
da können wir nicht bedenkenlos Nahrungsmittel in den Tank packen. Ich mache da aus meiner Überzeugung keinen Hehl: Brot gehört nicht in den Tank, Brot gehört auf den Teller!
Aber nun ist es ja so, dass die Biomasse ein Multitalent ist: sie kann für unseren Strom, unsere Wärme und unsere Mobilität sorgen. Sie ist in knappes Gut, das wir effizient verwenden müssen, um die Nutzungskonkurrenz landwirtschaftlicher Flächen zu minimieren. Und auch aufgrund der moralischen Frage wollen wir hierzulande vorrangig organische Reststoffe, insbesondere Holz, Stroh und Gülle einsetzen.
Mit Biogas nutzen wir die heimischen Ressourcen am effizientesten und können damit sowohl die energiepolitischen als auch die umweltpolitischen Ziele schneller erreichen.
Meine Damen und Herren,
über das „Erneuerbare Energien-Gesetz“ wird die Verstromung von Biogas begünstigt,
nicht die Biogasherstellung. Der erzeugte Strom ist vorrangig und zu festen Preisen in das Stromnetz aufzunehmen. Bei der Verstromung von Biogas in „thermodynamischen Kraftwerken“ entsteht aber in etwa gleicher Menge Abwärme, die in viel zu vielen Fällen weggekühlt wird und damit ungenutzt bleibt.
Weit effizienter ist es, diese Abwärme zu nutzen, dafür braucht man einen entsprechenden Wärmebedarf und ein Wärmenetz. Günstige Standorte von Biogasanlagen sind allerdings oft nicht deckungsgleich mit Gebieten mit hohem Wärmebedarf. Dafür bietet der Gesetzgeber nach der jüngst eingeleiteten EEG-Novelle zwei Lösungen:
- Der stromerzeugende Biogasanlagenbetreiber erhält im Fall der Wärmenutzung einen sogenannten KWK-Bonus.
- Der Biogasanlagenbetreiber bereitet das Biogas in Erdgasqualität auf, speist es in das Erdgasnetz und verkauft es an einen Stromerzeuger, der die Verstromung an anderer Stelle vornimmt.
So wie die bunte Werbung eines großen Energieunternehmens es darstellt, dass die heimische Erdgasheizung zukünftig mit Biogas betrieben wird, funktioniert das also nicht.
Meine Damen und Herren,
das Besondere an diesem Projekt hier in Honigsee ist das außerordentliche gemeinschaftliche Engagement von Energieerzeugern und Energieverbrauchern.
Da gibt es auf der einen Seite zwei Landwirte, die hier am Ortsrand auf eigenes Risiko – aber mit dem „Erneuerbare Energien Gesetz“ im Rücken - eine Biogasanlage errichtet haben, die Biogas für 2 Block-Heiz-Kraft-Werke mit zusammen 1 MW elektrischer Leistung liefert.
Und da gibt es au der anderen Seite einen engagierten Bürgermeister mit engagierten Gemeindevertretern und Einwohnern.
Und der KWK-Bonus hat letztlich beide Seiten zusammengeführt.
Wie das passierte, halte ich für absolut beispielhaft:
Die Gemeinde nutzt die bei der Verstromung des Biogases anfallende Abwärme für die Wärmeversorgung des Ortes für die nächsten 20 Jahre und hat dafür auf ihre Kosten das erforderliche Wärmenetz errichtet, die Wärmeabrechnung und die Wärme-Notversorgung bei Ausfall der Biogasanlage übernommen. Offensichtlich ein gutes Geschäft für beide Seiten!
Die Gemeinde hat einen enormen Aufwand betrieben. Sie haben sich schlau gemacht, Sie haben sich andere vorbildliche Projekte angesehen, Sie haben den Wärmebedarf für jedes Gebäude berechnet und Gewinn- und Verlustrechnungen angestellt.
Das Ergebnis des eigens eingerichteten Arbeitskreises brachte ein eindeutiges Urteil: Rund 75 Prozent der Haushalte würden sich anschließen.
Sie haben die Vorteile der Genossenschaft als Organisationsform erkannt:
- weil allein der genossenschaftliche Grundsatz „ein Mitglied eine Stimme“ eine Gleichheit der Teilnehmer (Genossen) garantiert,
- weil durch Eigenleistung vieles kostengünstiger realisiert werden kann,
- weil die laufenden Kosten durch ehrenamtliches Engagement reduziert werden. Und
- weil dadurch die Kosten für die Wärmeabnehmer soweit reduziert werden können, dass schlechte Voraussetzungen wie geringe Wärmedichte, aufwändige Verlegung der Wärmerohre im Altbestand und anderes mehr als kompensiert werden.
Für mich scheint das festzustehen: Die Genossenschaft stärkt den gemeindlichen Zusammenhalt.
Und das ausgezeichnete Kostenmanagement, was Sie hier an den Tag gelegt haben, ist ebenfalls eine Folge der Genossenschaftsform.
Meine Damen und Herren,
das Land hat sich an der Finanzierung des Wärmenetzes beteiligt, weil wir es für eine gute Investition halten. Wir haben 99.999 Euro aus dem Schleswig-Holstein-Fonds genommen und das Projekt mit angeschoben.
Wir fördern bevorzugt Wärmenetze, die eigentumsrechtlich von der Erzeugung betrennt sind. Wärmenetze stellen nämlich ein „natürliches“ Monopol dar und die eigentumsrechtliche Trennung beugt ungewollten „Ewigkeitsbindungen“ an einen Erzeuger vor. So eine Trennung ist auch langfristig angelegter Verbraucherschutz.
Aber natürlich hat auch die Gemeinde selbst der Genossenschaft jede nur denkbare Unterstützung gewährt: Und daher ist das ein wirklich starkes Gemeinschaftswerk, das Sie hier in kürzester Zeit auf die Beine gestellt haben!
Das verdient allerhöchsten Respekt!
Meine Damen und Herren,
Wie Sie wissen, verfolgt die Bundesregierung das Ziel, den CO2-Ausstoß bis 2020 um 20 % zu reduzieren. In Honigsee werden allein durch den Ersatz der fossil betriebenen Heizungsanlagen durch Wärmelieferung der Biogasanlage rund 300 Tonnen CO2 eingespart, das sind für Honigsee über 27 Prozent CO2-Einsparung
Bürgermeister Nicolaisen hat unserer Bundeskanzlerin deshalb bereits in einem Schreiben Vollzug gemeldet, dass das Ziel der Bundesregierung in Honigsee bereits 12 Jahre früher als geplant erreicht worden sei. Darauf können Sie zu recht stolz sein!
Und damit nicht genug: Denn tatsächlich werden durch die Stromproduktion der Biogasanlage weitere 4.800 Tonnen CO2 eingespart, so dass man sagen kann:
Honigsee ist CO2-frei
und trägt noch zur CO2-Minderung an anderen Orten bei!
Sie sind damit Vorreiter.
Und ich wünsche mir viele Honigseen in Schleswig-Holstein - aber wie ich höre, saugen ja jetzt schon viele Besucher an ihrem Modell.
Zu Recht hat sich die Gemeinde deshalb an dem Wettbewerb „ 100% Erneuerbare Energien-Kommune“ beteiligt, der Teil unseres Klimaschutz-Aktionsplanes ist und von der Innovationsstiftung Schleswig-Holstein durchgeführt wird.
Dabei wünsche ich viel Erfolg.